Schlaf Kindlein, schlaf

„Mein Kind schläft abends nicht ein. Seine Gedanken scheinen zu rasen und es findet keine Ruhe.“

Viele Asperger-Kinder können schlecht ein- oder durchschlafen. Für alle Beteiligten ist dies sehr belastend, auch für das Kind selber. Ältere Kinder können sich vielleicht noch eine Weile lang mit Lesen oder ähnlichem beschäftigen. Jüngere Kinder wollen jedoch meistens unterhalten werden, was auf Dauer sehr anstrengend werden kann. Abends ist man ja selber müde vom Tag und braucht mal eine Pause.

Aber warum schlafen viele Asperger-Kinder eigentlich so schlecht ein bzw. durch? Einschlaf- bzw. Schlafstörungen kommen bei Menschen mit einer autistischen Störung sehr häufig vor. Es gibt dazu viele wissenschaftliche Studien. Die Hauptursache für die Schlafstörungen ist, dass der Körper zu wenig Melatonin produziert. Melatonin ist ein Hormon, welches den Schlaf-Wach-Rhythmus (auch circadianer Rhythmus genannt) unseres Körpers steuert. Produzieren wir zu wenig davon, wird dem Körper abends nicht signalisiert, dass er zur Ruhe kommen soll. Der Melatoninmangel hat eine genetische Ursache, d.h. der gestörte circadiane Rhythmus ist bei vielen autistischen Kindern angeboren.

Das Schlafmanko seinerseits führt dazu, dass sich die autistischen Symptome verstärken können. Wie jeder Mensch, ist ein unausgeschlafenes Kind gereizter, unausgeglichener und weniger resistent gegenüber Umweltreizen. Gewisse Studien kommen sogar zum Schluss, dass der gestörte circadiane Rhythmus die Gehirnentwicklung negativ beeinflusst und somit ursächlich für autistisches Verhalten ist oder dieses zumindest fördert. Erstens soll der wenige Schlaf die optimale Gehirnentwicklung hemmen und zweitens soll das Verhalten auch epigenetisch (d.h. durch Veränderungen der Funktion gewisser Gene) negativ beeinflusst werden.

Der schlechte Schlaf kann somit autistisches Verhalten fördern und dieses wiederum den schlechten Schlaf – ein negativer Kreislauf also. Das ganze Thema „Ursachen für die Entstehung von Autismus“ werde ich in einem anderen Blogbeitrag ausführlicher behandeln. Wichtig ist hier zu wissen, dass weder Sie noch Ihr Kind daran schuld sind, dass es abends nicht zur Ruhe kommen kann. Trotzdem wünscht man sich natürlich, dass es schneller und besser schlafen kann.

Deshalb gebe ich Ihnen hier ein paar Tipps, wie Sie Ihrem Kind helfen können, schneller in den Schlaf zu finden:

1. Strikte Schlafhygiene

Wie auch in allen anderen Lebensbereichen, ist Struktur und Routine sehr nützlich. Wenn schon der innere Takt fehlt, sollten wenigstens die äusseren, immer gleichen Abläufe einen gewissen Rhythmus vorgeben, so dass der Körper merkt, dass nun Schlafenszeit ist. Alle Rituale, die dem Kind helfen, zur Ruhe zu kommen, sind hilfreich – etwas Vorlesen, ein „Einschlaftee“ oder eine Massage. Je nachdem, was Ihrem Kind zusagt, können diese dem Körper helfen, herunterzufahren und sich auf das Schlafen vorzubereiten. Fernsehen oder sonstige Bildschirmzeit nach dem Abendessen ist tabu, da sie das Gehirn zu stark anregen.

Neben den eigentlichen Ritualen ist es auch wichtig, dass der Zeitplan möglichst strikt eingehalten wird. Wenn das Licht zum Beispiel jeden Abend punkt 21:00 gelöscht wird, erhöht dies die Chance, mit der Zeit besser einschlafen zu können, da sich der Körper daran gewöhnt.

Wie Sie wahrscheinlich schon selbst bemerkt haben, bringt es nichts, das Kind allzu früh zu Bett zu schicken – das Nicht-Einschlafen-können führt zu zusätzlicher Aufregung. Lieber noch bis 21:00 lesen lassen, dann ist der Schlafdruck genügend gross, damit das Kind auch wirklich einschlafen kann.

2. Melatonin

Für eine gewisse Zeit kann es sehr entlastend sein, dem Kind abends eine kleine Dosis Melatonin zu geben. Besonders in stressigen Zeiten oder wenn es wirklich wichtig ist, dass das Kind genügend Schlaf bekommt (z.B. vor einer Prüfung), ist es sinnvoll auf dieses Mittel zurückzugreifen. Da der Körper selbst zu wenig Melatonin herstellt, wird ihm das Hormon einfach von aussen zugeführt. Es ist kein Schlafmittel, sondern etwas, das der Körper normalerweise auch selbst jeden Abend in genügender Menge ausschüttet, damit man in den Schlaf findet. Das Melatonin bewirkt nicht nur, dass man schneller ein- sondern auch besser durchschläft.

Auch hier ist es wichtig, dass der „Zeitplan“ am Abend möglichst eingehalten wird und das Melatonin etwa eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen eingenommen wird. Falls Sie nicht wollen, dass sich das Kind daran gewöhnt, abends eine Tablette zum Einschlafen zu bekommen, können Sie diese auch in einem Tee auflösen. Dann ist es nicht die Tablette, die ihm hilft, einzuschlafen, sondern der Tee.

Eventuell lässt die Wirkung des Melatonins nach ein paar Wochen oder Monaten nach. Sie können dann eine Weile pausieren und es später erneut geben. Es wird dann wieder dieselbe Wirkung haben.

Melatonin ist in der Schweiz (im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wie zum Beispiel Deutschland) nicht in der Apotheke oder in der Drogerie erhältlich. Sie können es aber übers Internet oder wenn Sie mal auf Reisen sind einfach besorgen. Wie gesagt, genügt meistens eine kleine Dosis, um dem Schlaf einen Anstoss zu geben.

3. Liebe und Nestwärme

Seien Sie möglichst „unbürokratisch“, wenn Ihr Kind mal nicht einschlafen kann bis Sie selbst ins Bett gehen. Wie alle Kinder bekommen sie Angst, wenn es in der Wohnung plötzlich ganz still und dunkel ist. Richten Sie sich so ein, dass in diesem Fall Ihr Kind nicht alleine einschlafen muss. Damit verwöhnen Ihr Kind nicht, sondern geben ihm die Sicherheit und Liebe, die es braucht. So weiss es, dass es nicht alleine gelassen wird, sollte es mit dem Einschlafen mal nicht klappen. Kinder mit Asperger-Syndrom steigern sich gerne in etwas hinein und machen sich tausend Gedanken. Wenn Ihr Kind Angst hat, die ganze Nacht alleine wach im Bett liegen zu müssen, kann es erst recht nicht einschlafen. Ausserdem brennt sich ein angsteinflössendes Erlebnis bei Kindern mit einer autistischen Störung besonders stark ein und wird anschliessend nicht mehr vergessen.

Es ist nie falsch, genügend Elternliebe zu geben. Wenn Sie jedoch den Eindruck haben, dass sich das Kind daran gewöhnt, bei Ihnen einzuschlafen oder wenn dies aus anderen Gründen nicht gut möglich ist, dann können Sie vielleicht mit dem Kind zusammen überlegen, was ihm helfen könnte. Vielleicht hilft es ihm schon, wenn im Gang das Licht brennt. Oder vielleicht lässt es sich einrichten, dass das Kind eine Weile lang bei einem Geschwister im Zimmer schlafen kann.

 

In diesem Sinne hoffe ich, dass Sie für sich und Ihr Kind bald das richtige „Rezept“ finden, damit es leichter einschlafen kann und genügend Schlaf bekommt. Aber setzen Sie sich nicht unnötig unter Druck, wenn es nicht auf Anhieb klappt. Obwohl Schlaf wichtig ist, kompensiert der Körper Nächte mit zu wenig Schlaf auch in Form eines längeren Tiefschlafs und ist nicht umgehend „schädigend“ für Ihr Kind. Auf lange Sicht ist es aber sicher empfehlenswert, den guten Schlaf, und somit auch eine positive Entwicklung Ihres Kindes zu fördern.